Was meinen Sie: Als Verkäufer beginnen Sie Ihr Gespräch mit einer der sozialen Floskeln á la „Wie geht’s?“.
Können Sie sich vorstellen, dass damit die Chance auf ein positives Ergebnis ihres Verkaufsgesprächs durchaus doppelt so hoch ist im Vergleich zu einem anderen, eher sachlichen Gesprächseinstieg?
Machen wir gleich mal einen praktischen Kontext für die Telefonakquise: Wir wollen einen Termin bei der Geschäftsführerin und landen erwartungsgemäß beim Sekretär oder dem Assistenten. „Guten Morgen Herr Hoffentlich-hab-ich-mir-den-Namen-gemerkt, Helge Uckermark hier…[2x Luft holen] Wie geht’s?“
Den sozialen Normen folgend antwortet Ihr Gesprächspartner vermutlich ganz automatisiert ebenfalls mit einer Floskel á la „Danke, gut!“.
Die Foot-in-the-mouth-Technik
Wie kann es sein, dass eine so harmlose Phrase einen so großen Effekt hat?
Aus dem Bauch heraus denken wir vermutlich daran, dass der Verkäufer sympathischer wirkt, wenn er sich nach dem Befinden seines Gesprächspartners erkundigt.
Feldstudien haben durchaus gezeigt, dass diese Befindlichkeits-Frage und eine Antwort darauf etwas damit zu tun haben, dass der Gesprächspartner auch mit seinen weiteren Antworten im Einklang mit seiner ersten Antwort stehen möchte.
Kommt also vom Gesprächspartner ein „Danke, gut!“ zurück, möchte er in seinen nächsten Antworten nicht das Gegenteil offenbaren.
Auf die Antwort kommt es an
Feldforscher haben darüber hinaus festgestellt, dass es darauf ankommt, was der Gesprächspartner auf die Befindlichkeits-Floskel antwortet.
Dabei ist die erste Herausforderung für den Verkäufer, den Gesprächspartner auch zu Wort kommen zu lassen. Wenn ich dieses Thema in meinen Trainings durchspiele, wird an die Befindlichkeits-Floskel „Wie geht‘s?“ oft ohne Pause ein „Ich hoffe doch, gut, oder?“ hintendran gesetzt. Dem Gesprächspartner wird also die Chance auf eine Antwort verweigert. Nicht gut!
Und bei denjenigen, die wirklich eine Antwort abwarten, können nur wenige die Antwort des Gesprächspartners wiedergeben. Einige von uns erkennen sich vielleicht darin wieder, dass wenn wir fragen „Wie geht’s?“, wir nicht wirklich wissen wollen, was der Gesprächspartner antwortet – schon gar nicht, dass er oder sie nunmehr von ihren jüngsten Erlebnissen berichtet, die gut oder schlecht waren.
Und vielleicht geht es Ihnen so, wie den meisten: Wir geben geradezu automatisch, ohne den Kopf wirklich zu bemühen, eine automatisiert-standardisierte Antwort auf die Befindlichkeits-Floskel. Und das unabhängig davon, ob wir uns wirklich so fühlen wie wir es mit einem „Danke, sehr gut!“ gerade offenbart haben.
Da fühlen wir uns an den Nobelpreisträger D. Kahnemann mit seinem schnellen und langsamen Denken erinnert. In seinen Feldstudien hat er herausgefunden, dass wir einerseits spontan, intuitiv und aus dem Bauch heraus reagieren und unser kognitives Denken noch gar nicht eingeschaltet ist. Andererseits braucht es Anstrengung, einen Denkprozess in Gang zu setzen und das machen wir Menschen eher ungern – unser Gehirn ist evolutionär so nicht ausgerichtet. Die Befindlichkeits-Floskel mit einer automatisierten Antwort ist ein solches spontanes – nicht weiter drüber nachgedachtes – Verhalten. Im weiteren Gespräch werden dann nach und nach die Denkprozesse aktiviert.
Die Feldforscher haben weiter herausgefunden, dass wenn der Gesprächspartner mit einem „Geht so!“ antwortet, der Verkäufer keine erhöhte Erfolgsquote für den Verkauf seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erwarten hat. Noch schlechter sind sogar die Aussichten, wenn der Gesprächspartner mit einem ehrlichen „Nicht so gut!“ oder einer ähnlichen Formulierung antwortet.
Antwortet der Gesprächspartner mit einem „Danke, gut!“ oder sowas ähnliches, steigt die Erfolgsquote erstmal um rund 150%, dass das Gespräch erfolgreich weiterläuft.
Freundschafts-Effekt
Einige Feldforscher untersuchten die Hypothese, ob die steigende Erfolgsquote womöglich etwas mit dem schnellen Aufbau einer freundschaftlichen Beziehung zwischen Verkäufer und Gesprächspartner zu tun haben könnte.
Immerhin ist es eine anerkannte soziale Norm, dass sich Freunde untereinander fragen, wie es ihnen ginge. Unser Gehirn ist bei dieser Befindlichkeits-Floskel noch nicht wirklich richtig eingeschaltet und wir antworten intuitiv freundschaftlich darauf. In unserem Kopf ist jetzt allerdings der Schalter auf „Freund“ umgelegt. Und logischerweise stehen wir dem Vorschlag eines Freundes offener gegenüber als dem eines Fremden. Wir gehen dann zwar noch nicht gleich ein Bier zusammen trinken, aber von den vielen Möglichkeiten, ein Gespräch zu beginnen, haben wir eine gewählt, die erfolgversprechender ist als andere, eher sachliche Gesprächseinstiege!
Nachdem dieser Effekt nachgewiesen worden war, überlegten sich andere Feldforscher, ob man denn nicht diesen Freundschafts-Effekt verstärken könne.
Auf die Befindlichkeits-Floskel ergänzten sie eine Frage nach einer Gemeinsamkeit. In der täglichen Verkäuferpraxis lässt sich oft eine solche Frage konstruieren. Dies fällt uns üblicherweise umso leichter, je mehr Informationen der Verkäufer über seinen Gesprächspartner hat. In der heutigen Xing und LinkedIn-Zeit dürfte das ein Leichtes sein.
Wenn also Verkäufer und Gesprächspartner in den Feldstudien eine Gemeinsamkeit hatten, waren die Erfolgsquoten nochmals deutlich höher als nur mit der Befindlichkeits-Floskel allein.
Was allerdings noch nicht untersucht wurde: Wie komplex sollte die Gemeinsamkeit sein. Offensichtliche Gemeinsamkeiten wie das Geschlecht oder die gleiche Haarfarbe dürften sicher nicht hilfreich sein. Was ist allerdings damit, als Zugezogener aus dem gleichen Bundesland zu stammen? Bei Xing können auch die Hobbies und Interessen hierfür eine Hilfe sein!
Zurück zu den Feldforschern: Bei der Kontrollgruppe, bei der die Feldforscher inhaltlich-sachlich gestartet waren, wurde lediglich eine Erfolgsquote, also dass der Fragende sein Anliegen erfolgreich zu Ende bringen konnte, von unter 10% erreicht. Mit der Befindlichkeits-Floskel stieg die Erfolgsquote auf 25% und mit der angehängten „Gemeinsamkeit“ auf rund 50%. Konnte der Verkäufer also zuerst nur einen von zehn potenziellen Käufern für sein Produkt gewinnen, stieg dies auf fünf von zehn – eine Steigerung der Erfolgsquote um 500%.
Gehen wir zurück in unseren Kontext: Nach der Befindlichkeits-Floskel und der automatisierten Antwort wäre eine Frage nach einer Gemeinsamkeit echt toll. Nur: Das ist über das Telefon, wo wir lediglich den Namen und die Stimme wahrnehmen, nahezu unmöglich. Ich selbst habe durchaus schon mal ein klares Hochdeutsch gehört und direkt danach gefragt. Und tatsächlich: Mein Telefon-Gesprächspartner kam aus der gleichen Region wie ich. Dem setzte sich ein kleiner Small Talk an, was einen damals bewegt hatte, umzuziehen.
Und können wir das vertrieblich irgendwie nutzen?
Sobald es geschafft ist, telefonisch einen Termin beim Sekretär oder dem Assistenten zu einem persönlichen Gespräch oder einem Video-Call vereinbart zu haben, beginnt die Vorbereitung auf das Gespräch mit der Geschäftsführerin. Selbst eine schnelle Internet-Recherche fördert oft etwas zu Tage – vielleicht ein Bild, wo die Geschäftsführerin vom örtlichen Bürgermeister geehrt wurde? Oder im Xing-/LinkedIn-Profil steht das Stichwort ‘Spanische Weine’.
Der Video-Call könnte also mit einem ehrlich vorgetragenen „Wie geht’s?“ beginnen, worauf der potenzielle Käufer mit einem „Danke, soweit ganz gut!“ antwortet. Jetzt kommt die Gemeinsamkeit: „Ich habe Sie auf Xing gefunden: Darf ich mal ganz unverblühmt fragen? Spanische Weine? Was trinken Sie da am liebsten?“
Jetzt dürfte ein sehr schöner Small Talk über Wein oder Spirituosen im Allgemeinen beginnen. Und: Damit dürfte Ihre Erfolgschance auf einen positiven Gesprächsabschluss sehr deutlich gestiegen sein.
Aber bitte: Es bleibt bei einem kurzen Gespräch von vielleicht 3 bis 5 Minuten. Danach steigen Sie sachlich in Ihr Verkaufsgespräch ein!
Viel Erfolg!